-Wenn der schönste Tag zum Schlimmsten wird–
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Wenn ein neues Leben entsteht, steht zuletzt die Geburt des Kindes bevor. Der Tag der Geburt sollte einer der Schönsten im Leben jeder Eltern sein. Trotzdem empfinden viele Frauen Angst vor der Entbindung. Die Frauen haben Angst vor Schmerzen, Kontrollverlust und dem Ausgeliefertsein, während der Geburt. Sie müssen dem Personal blind vertrauen. Und teilweise kommt es zu Gewaltausübung seitens der Hebammen. Sollte so einer der bedeutsamsten Tage im Leben aussehen?
Vermutlich nicht. Und das Schlimmste daran: durch ärztliches Personal ausgeführte Gewalt im Kreißsaal ist kein Einzelfall. Genaue Studien zu der Zahl der Betroffenen gibt es nicht. Man schätzt allerdings, dass jede dritte Frau Gewalt in der Geburtshilfe erlebt. Teilweise wird sogar von jeder zweiten Frau gesprochen. Man unterscheidet dabei zwischen physischer, psychischer und struktureller Gewalt. Zu physischer Gewalt gehört beispielsweise das Festhalten oder Festbinden der Patienten, grobe Behandlung und Dinge ohne Einverständnis und ohne medizinische Nötigkeit am Körper der Betroffenen zu machen. Dabei ist beispielsweise von einem Dammschnitt, Kaiserschnitt oder Medikamentengabe die Rede. Aber die Form der Gewalt beinhaltet auch Schläge, Ohrfeigen, Kneifen und mehr. Zu der psychischen Gewalt gehört Anschreien, Beschimpfen, Diskriminieren, Machtmissbrauch, Nötigung, sexualisierte Gewalt, Zwang und verbale Gewalt. Die strukturelle Gewalt beinhaltet fehlende Raumkapazität, Personalmangel, Hebammenunterversorgung, Hierarchien im Kreißsaal und noch vieles mehr. „Meist entscheiden jedoch vor allem die Umstände und die Art der Behandlung, wie und ob solche Eingriffe als Gewaltakte empfunden werden.“ berichtet Tara Franke in ihrem Vortrag „Das Schöne wurde mir genommen“.
Die optimale Betreuung einer gebärenden Frau durch eine Hebamme wäre die 1:1 Betreuung , welche von medizinischen Fachgesellschaften für die stationäre Geburtshilfe empfohlen wird. Dies kann aber aufgrund des Personalmangels, der in vielen Krankenhäusern herrscht nicht gewährleistet werden. Auch die Geburtshilfe leidet erheblich am Personalmangel. Aus zwei Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags geht hervor, dass viele Hebammen in Deutschland sich um mehrere Gebärendegleichzeitigkümmernmüssen. Der deutsche Hebammenverband (DHV) gibt an, dass im klinischen Bereich fast 2000 Hebammen fehlen (2019). Darüber beschweren sich auch die Hebammen schon seit Jahren. Aber auch die Betreuung durch eine Hebamme während dem Wochenbett und der Stillzeit ist wichtig und jede gesetzlich versicherte Frau hat einen Anspruch darauf. Die Studie „Mangel an Hebammen in Deutschland“ aus dem Juni 2018 zeigte, dass 20,2% der befragten Frauen keine Hebammenbetreuung während ihrem Wochenbett hatten. Davon gaben 32,7% an, dass sie gerne eine Nachsorgehebamme gehabt hätten. Der Grund, weßhalb diese Frauen keine Hebamme hatten war meist die fehlende Verfügbarkeit. Es fehlte eine verfügbare Hebamme in der Nähe oder eine, die auch Hausbesuche macht.
Unter dem Mangel an Hebammen leiden also immer die gebärenden Frauen. Teilweise müssen sie körperlich und psychisch kaputt das Krankenhaus mit ihrem Neugeborenen verlassen. Eine psychische Therapie kann also, neben der körperlichen Versorgung notwendig sein. Und auch ein Wunsch nach einem weiteren Kind kann somit erlischen, wodurch die Geburtenrate sinkt. Und dies tut sie schon seit 1965 stetig. Im Jahr 1965 lag die Anzahl der Geburten in Deutschland noch bei 1.325.386. Und im Jahr 2010 war sie mit 677.957 Geburten an ihrem Tiefpunkt. Man kann also davon ausgehen, dass auch Gewalt während der Geburt dazu beigetragen haben könnte, wozu es aber keine Studien gibt.
Es muss sich also etwas im deutschen Gesundheitssystem ändern. Ganz einfach gesagt: Wir brauchen mehr Hebammen. Es muss also dafür gesorgt werden, dass mehr Menschen den Beruf Hebamme langfristig und gerne ausführen wollen. Geburten haben keinen bestimmten Zeitraum in denen sie ausschließlich stattfinden, wodurch Hebammen ihr Leben nach ihrem Beruf richten müssen. Dazu kommt, dass freiberufliche Hebammen, welche den Großteil ausmachen, sich selbst versichern müssen. Diese Versicherung wurde in den letzten Jahren immer teurer. Außerdem werden Hebammenleistungen pauschal abgerechnet. Es ist also egal ob eine Geburt 34 Stunden oder 3 Stunden dauert. Es gilt: Je mehr Geburten, desto mehr Geld. Das DRG Abrechnungssystems ist Schuld an diesem politischen Problem. Es steht also in der Verantwortung von vielen Menschen, das Problem des Hebammenmangels zu beseitigen. Mehr Lohn und bessere Bedingungen sind nötig, um den Mangel in den kommenden Jahren auszugleichen und allen Frauen die Möglichkeit zu geben, eine Hebamme in Anspruch zu nehmen
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