​Frau Penning und Herr Becker Grieb unterrichten gemeinsam die Deutschvorklasse unserer Schule. Wir haben sie interviewt und wollten wissen, wie man sich den Unterricht in dieser bunt gemischten Klasse vorstellen kann.


Was steht den Flüchtlingskindern bevor, wenn sie Deutschland erreichen?

Wenn die Kinder und Jugendliche in Deutschland ankommen, besuchen sie möglichst schnell die Vorklasse. Manchmal dauert es auch einige Monate oder ein halbes Jahr. Bis zum Ende des Schuljahres müssen sie Deutsch so beherrschen, dass sie in eine normale Klasse eingegliedert werden. Deshalb wird täglich 5 Stunden gelernt, mindestens 4 sind von der Regierung vorgesehen. 

In Ihrer Deutschvorklasse sind Schüler aus Afghanistan, Iran, Ghana, Syrien, Bulgarien und Griechenland. Ich kann mir das gar nicht vorstellen, wie man sich da verständigen kann und wie das gemeinsame Buch aussieht?

In vielen Deutsch Vorklassen wird mithilfe von Arbeitsblättern mit Bildern und Vokabelbedeutungen gelernt. Aber um in der Schule dem normalen Unterricht folgen zu können, muss man die Sprache innerhalb eines Jahres samt der Grammatik und Anwendung beherrschen. Nur Vokabeln bringen nichts. Deshalb verwenden wir ein Heft für Deutsch als Fremdsprache.  Da die meisten Schüler türkisch können, wird erst ins Türkische und von dort ins Syrische übersetzt. Mit einem Übersetzungsprogramm, den Mitschülern als Dolmetschern und Wörterbüchern funktioniert das bei den anderen Sprachen auch ganz gut. Wir lehren die Grammatikstrukturen, Vokabeln und reden sehr viel miteinander auf Deutsch. Dabei achten wir darauf, das die ganze Grammatik eingehalten wird. Mit Umgangssprache kommt man zwar im Alltag klar, doch nicht in der Schule.

Wenn jemand aus einem anderen Land kommt und unsere Sprache erst lernen muss, ist es sicher eine Herausforderung. Haben diese Schüler die gleichen Chancen wie alle anderen? 

Nein. Die meisten sind zwar sehr intelligent und fleißig, doch eigentlich kann man eine ganz neue Sprache nicht in einem Jahr so lernen. Es braucht mindestens 3 Jahre um Bildungsdeutsch richtig anwenden und verstehen zu können. Das größte Problem stellen alle anderen Fächer dar. Einige Kinder waren jahrelang auf der Flucht und haben in der Zeit keine Schule besucht, im schlimmsten Fall noch nie. Nur mit Ehrgeiz und viel Arbeit können sie einen Abschluss erreichen, denn eine Menge Vorwissen fehlt ihnen. Wer sich nicht anstrengt, hat keine Chance. Man fällt sonst schnell durch das Raster und endet in einfachen Berufen, zum Beispiel Reinigungskräfte von Leihfirmen oder Aushilfen. Vielleicht wird sogar der Mindestlohn umgangen. Außerdem müssen viele ihren Eltern als Dolmetscher helfen zum Beispiel bei Arztbesuchen. Diese tun sich meistens schwerer bei der neuen Sprache.

Wo liegen die Probleme und Herausforderungen Ihrer Arbeit? 

Die Schüler sind unterschiedlich alt und haben ein unterschiedliches Bildungsniveau. Einige haben vorher noch nie eine Schule besucht. Andere kommen aus Griechenland oder Bulgarien und haben eine normale Schulbildung erhalten. Wir müssen allen gerecht werden und sie möglichst fit für den normalen Unterricht machen, sodass alle die Chance auf einen Abschluss haben. 

Fühlen sich die Schüler aufgenommen in Deutschland? 

Für viele ist der Druck, möglichst viel zu lernen, sehr anstrengend. Sie merken, dass sie viel Zeit und Arbeit und Fleiß in diese neue Sprache stecken müssen. Jugendliche, die erst mit 15 nach Deutschland erreichen, kommen nach der Vorklasse in die zehnte Klasse. In einem Jahr einen Durchschnitt zur Abiturzulassung zu bekommen, ist nicht für jeden möglich und sehr schwer. Sie bemerken auch den Fremdenhass. Es ist schwer sich gut aufgenommen zu fühlen, wenn man Menschen sieht, die einen am liebsten sofort zurück in die Heimat schicken würden. Einige können auch einfach abgeschoben werden, weil ihr Heimatland als sicher gilt. 


Von Frederike Evering