Der Mord an der 12-jährigen Luise aus Freudenberg am 11. März 2023 erschütterte ganz Deutschland. Morde an Kindern sind die Taten, die mit am meisten innerhalb einer Gesellschaft emotionalisieren. Dementsprechend ist es keine Überraschung, dass Gerechtigkeit des Opfers und Sühne des Täters verlangt wird. Schwieriger wird dies jedoch, wenn der/die Täter*in strafunmündig, also selbst noch ein Kind ist. Da die Täterinnen im Fall von Luise 12 und 13 Jahre alt sind, können sie nicht strafrechtlich belangt werden, da die Strafmündigkeit erst ab 14 Jahre beginnt. Dies führt zum Zwiespalt innerhalb der Gesellschaft. Manche sind der Auffassung, dass Mord Mord sei, egal in welchem Alter dieser begangen wird, und dies strafrechtlich auch angegangen werden müsse. Andere meinen, dass ein Kind diesen Alters psychisch noch nicht so weit entwickelt sei, dass es eine Schuldfähigkeit tragen könne. Für die Täterinnen von Luise ist also nicht das Strafrecht, sondern das Jugendamt zuständig, doch ist dies genug oder muss die Strafmündigkeit gesenkt werden?
Warum liegt das Strafalter bei 14?
Wenn man von der Strafunmündigkeit spricht, spricht man von der Schuldunfähigkeit eines Kindes, so ist die Bezeichnung innerhalb des Strafgesetzbuch (StGB). Dies wird durch Paragraph 19 im StGB gesichert, welcher lautet „Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.“ Diese Regelung besteht, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Kinder unter vierzehn Jahren noch nicht in der Lage seien, die Tragweite ihrer Taten zu verstehen. Dieses Verständnis sei erst ab dem 14 Lebensjahr gegeben und selbst dann wird nicht nach Erwachsenen-, sondern nach dem Jugendstrafrecht gehandelt.
Andere Ordnungen
Dass die Strafmündigkeit ab 14 beginnt, ist nicht überall auf der Welt gleich, nicht einmal innerhalb des westlichen Raumes. Dementsprechend werden ähnliche Fälle, wie der von Luise, in anderen Ländern auch unterschiedlich behandelt. Ein ähnlicher Fall wie der aus Freudenberg geschah am 31. Mai 2014 in Waukesha, Wisconsin (USA). Es handelte sich um die sogenannte „Slender-Man“-Messerstecherei. Zwei 12-jährige Mädchen, Morgan Geyser und Anissa Weier stachen in einem Wald 19mal auf ihre Schulfreundin Payton Leutner ein. In der USA herrscht kein allgemeingültiges Strafrechtsalter, es variiert in den jeweiligen Bundesländern. In Wisconsin herrscht die Regel, dass Kinder ab zehn Jahren in besonders schwerwiegenden Fällen als voll strafmündig gelten. Deshalb wurden beide Mädchen nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Morgan zu 40 Jahren in einer psychiatrischen Anstalt, da sie an einer paranoiden Schizophrenie litt, und Anissa zu 25 Jahren Haft, einer Haftstrafe von mindestens drei Jahren und einer Zwangsbehandlung in einer staatlichen psychiatrischen Anstalt, sie litt an einer induzierten Psychose (einer Folie a deux).
Ein weiterer Fall wo Kinder töteten, geschah am 12. Februar 1993 in England. Hier wurde der zweijährige James Bulger von Robert Thompson und Jon Venables entführt, gefoltert und abschließend getötet, beide Jungen waren zu der Tat 10 Jahre alt. Beide Täter bekamen die Strafe einer unbefristeten Haft, wurden allerdings mit jeweils 18 Jahren auf Bewährung freigelassen. Dieser Fall sorgte dafür, dass die Strafmündigkeit in England von 12 auf 10 Jahre gesenkt wurde.
Sollte die Strafmündigkeit gesenkt werden?
Die Meinungen hierzu spalten sich immer noch sehr stark, allerdings meinen viele Expertinnen, dass eine Senkung der Strafmündigkeit nicht notwendig oder sogar eher schädlich sei. Härtere Strafen als Abschreckungsstrategie für Kinder einzuführen, sei nicht wirksam, da Kinder in diesem Alter noch nicht bewusst sei, welche Auswirkung ihre Tat auf ihr Opfer und auf sich selbst haben, dementsprechend seien sie sich auch nicht über das Ausmaß einer Strafe bewusst. Der Aufenthalt innerhalb eines Gefängnis kann besonders gravierenden Einfluss auf Kinder haben. In Deutschland ist zwar das Jugendgefängnis stark auf Erziehung und Resozialisierung ausgelegt, aber die Freiheitseinschränkung kann stark die psychische Entwicklung eines jungen Kindes beeinflussen. Franz Streng von der Universität Erlangen-Nürnberg sagt hierzu, dass jüngere Kinder schnell zu Opfern der älteren Inhaftierten werden. Dies sei besonders gravierend, da viele der jungen Kinder, die zu Straftäterinnen werden, bereits unvorteilhafte Bedingungen aus ihrem Umfeld oder gar von der Tat selbst mit sich tragen. Robert Thompson entwickelte nämlich nach der Tat Symptome einer PTBS, diese können sich innerhalb eines solchen Umfeldes noch verstärken. Morgan Geyser berichtete auch von sexualisiertem Missbrauch, den sie während ihrer Haftzeit erfahren habe. Der Forscher Verrel sagt hierzu „Je jünger Jugendstrafgefangene sind, desto höher die Rückfallquote.“
Eine Senkung der Strafmündigkeit würde also nicht dazu führen, dass weniger Straftaten geschehen, sondern es möglicherweise sogar eher ein Anstieg bei schweren Straftaten unter Jüngeren gäbe. Dies wäre besonders tragisch, da schwere Delikte selten durch Kinder geschehen und eine Änderung der Altersgrenze dies vielleicht ändern würde. Es wäre also wichtiger, bereits vor einer Tat präventiv zu handeln, doch wenn bereits eine Tat begangen wurde, sollte eher durch das Jugendstrafrecht eingegriffen werden und die Kinder durch andere Maßnahmen wie psychologische Begleitung, Entzug aus dem Umfeld und familientherapeutische Hilfe Unterstützung erfahren.
Artikel: Malik M. / Fotos: swr.de, abc7.com, rosenheim24.de
Kommentar verfassen