„Wir schaffen das“. Ein in den Medien immer wiederholter Satz. Merkel am 31. August 2015. Mitten in der Flüchtlingskrise in Europa. Immer wieder neu aufgegriffen, kritisch beäugt, umgeschrieben „wir schaffen das nicht“. 2017, Gegenwart, Merkel hat schon lange ihren eigenen Satz hinterfragt. Doch was stellt so ein Satz mit uns an? Was bewirkt er in uns und wie beeinflusst er unsere Denkweise? Warum ist dieser Satz von so einer enormen Gewichtung, warum konnte es kein anderer sein? „Wir schaffen das“. Ein Satz, dessen Betonung ich vor allem auf dem „wir“ sehe. Stellvertretend für ein starkes Gruppengefühl oder eine Gemeinschaft. Gleichzeitig ist „wir“ aber auch einfach nur ein Pronomen. Dass dieser Satz einmal so unglaublich viel Kritik auslösen würde, hätte man damals vielleicht nur vage erahnen können. Das Problem allerdings stellt sich darin, dass rechtspopulistische Parteien dadurch Aufmerksamkeit und Zustimmung gewinnen. Afd – Landesvorsitzender Alexander Gauland betonte: „Wir wollen das gar nicht schaffen!“. Eine klare Aussage, die viel Zustimmung fand. Aber was heißt dieses „schaffen“ oder eben auch „nicht schaffen“? In diesem Zusammenhang ist damit wohl die Bewältigung der Flüchtlingskrise in Europa gemeint. Aber was wäre das Schlimmste, was passieren könnte? Deutschland geprägt von Terroranschlägen, zunehmender Ghettoisierung, absinkendes Bildungsniveau und schlechtes Abschneiden bei Pisa – Studien? Vielleicht auch deutsche Wutbürger, die erbost Afd und NPD wählen und Steine auf Flüchtlingsheime werfen? Oder gar nicht mehr wählen gehen, weil sie die Hoffnung in die deutschen Politiker verloren haben? Diese Vorstellungen von einem Deutschland, welches es nicht geschafft hat, werfen die Frage auf, ob jene Wutbürger dann in andere Länder auswandern würden und demnach selber zu Flüchtlingen werden würden. Eine gegensätzliche Moral. „Wir schaffen das“ zeigt, dass etwas nicht stimmt. Diese Bewältigung kann aber kaum eine positive Herausforderung darstellen, vielmehr die Entwicklung von Angst. Nach dem „Psychological Review“ aus dem Jahr 2012 von Hirsch und Mar ist das Gefühl der Angst vor allem auch das Gefühl der Ungewissheit. Wir wissen nämlich gar nicht, ob Deutschland durch die Flüchtlinge von Terroranschlägen und Ghettoisierung geprägt werde. Wir können nicht einschätzen, wie fähig die Menschen sind, sich an unser Rechtssystem anzupassen. Je weniger man eine Situation einschätzen kann, desto mehr entsteht das Gefühl der Ungewissheit. Sicherlich stellt die Wut auf Merkel auch die Unfähigkeit dar, sich gegen die „Großen“ da oben wehren zu können. Aber warum ist gerade „Wir schaffen das“ für uns so ein wichtiger Satz geworden? Schon Obama benutzte „Yes, we can“ als Wahlspruch. Im Prinzip eine ähnliche Bedeutung, allerdings eine eher positive Zustimmung, was man bei Merkels „Wir schaffen das“ nicht erkennen konnte. Obama allerdings verhalf dieser Spruch 2008 zum Wahlerfolg, Merkel im Gegensatz dazu stellte ihre Partei in ein schlechtes Licht und verliert Stimmen für die Wahl des neuen Abgeordnetenhauses in Berlin. Bei Obama steht dieser Satz für Toleranz zwischen den Menschen. Als erster schwarzer US- Präsident ist sein Wahlsieg ein Zeichen für Gleichheit und Akzeptanz unter den Menschen. Auch Merkel wollte wohl für mehr Toleranz eintreten, allerdings ist dies nach hinten losgegangen und die Angst der Menschen führte letztendlich zu größerer Anhängerschaft rechtspopulistischer Parteien. Wenn ein einziger Satz, welcher eine ganz ähnliche Bedeutung hat, so unterschiedliche Reaktionen in der Bevölkerung auslösen kann, so ist das Einzige, was wirklich gegen Fehlinterpretationen hilft, einen klaren Kopf zu bewahren, sich eigene Gedanken zu machen und eine eigene Meinung zu bilden.
Gesche Graue
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