Wir alle  haben  von dem  Putschversuch in  der  Türkei  gehört. Doch was  ist  da  eigentlich  genau passiert,  und wie  stehen  die  Deutschen  dazu?  Wir  haben uns  an unserer Schule  umgehört. 

Wir  haben  es  vermutlich  alle  auf die  eine  oder  andere  Art  mitgekriegt:  Eine  Gruppe Armeeangehöriger  soll  am  Abend des  15. Julis  versucht  haben, die  demokratisch gewählte Regierung der  Türkei  zu stürzen.  Das  Ganze  begann  mit  der  Erklärung eines  Soldaten:  Man habe die  Macht  übernommen und das  Kriegsrecht  verhängt. Die  Türkei  berichtete  von Schüssen und gesperrten Bosporus-Brücken in  Istanbul, zudem  sollen die  Militärfahrzeuge  auch weitere Fahrspuren blockiert  haben. In  Ankara seien  Kampfhubschrauber  über  der  Stadt  gekreist. Außerdem  sei  der  Atatürk  Flughafen blockiert  worden und am  Taksim  – Platz  soll  es  Feuergefechte zwischen der  Polizei  und Soldaten  gegeben haben,  sowie  dass  der  Gebäudekomplex  des  Parlaments aus  der  Luft  beschossen wurde.  Der  türkische  Präsident  soll  noch in der  Nacht  zur  Gegenwehr aufgerufen haben. Polizei  und Bürger  sollen  sich daraufhin in  großer  Zahl  gegen die  Putschisten gestellt  haben. 

Szenenwechsel.

Ein  kleines  Dorf in  der  Türkei,  unscheinbar  wie  viele  der ländlichen  Dörfer. Es  ist  die  Nacht  vom 15. bis  zum  16.Juli. Esras  Familie  (Name  von der Redaktion  geändert)  ist  empört.  Ihr  Vater beschäftigt  sich die  Nacht  über lieber mit  fernsehen,  als  dass  er ein  Auge  zumacht. Bei  Aylin  (Name  ebenfalls  geändert), die  neben ihrer  Freundin in  Deutschland auf  dem  Sofa  sitzt, war das  ein  bisschen  anders. „Ich habe  davon bei  Facebook gehört,  dachte  aber  nicht  daran,  dass  es stimmen  könnte. Plötzlich  kam  eine  alte  Frau auf  mich zu  und fragte  mich, ob ich schon wissen würde, was  gerade  in der  Türkei  los  sei.“  Die  beiden Freundinnen zeigen Unverständnis, vor allem für die  Anhänger Fethullah  Gülens.  Klar, man  habe  auch  Unschuldige  festgenommen  – und das  sei in  keinem  Fall  in  Ordnung.  Vor allem  Soldaten,  die  möglicherweise  reingelegt  wurden, um  an dem Putschversuch teilzunehmen,  dürfe  man  nicht  einfach  so wegsperren. Doch was  ist  mit  den eigentlichen  Putschisten?  Aylin ist  fest  davon überzeugt, dass  die  Todesstrafe  vielleicht  sogar eher eine  Erlösung darstelle,  als  dass  sie  Bestrafung genug sein  könne. „Wer Unschuldige  tötet,  der hat  es nicht  anders  verdient.“  Um  genauer  zu erfahren,  was  Esra  und  Aylin  für eine  Einstellung  haben, kommen wir auf ein Gerichtsverfahren zu  sprechen.  

Ist  es  in Ordnung, Putschisten ohne  ein vernünftiges  Verfahren einzusperren oder eventuell  sogar zu töten?  

Für  Aylin  ist  ein Gerichtsverfahren  unnötig, schließlich  wisse  man doch schon, wer die  Putschisten sind. Bei Menschen, bei  denen man sich nicht  sicher  ist, sei  dies  natürlich etwas  anderes.  Zum  Vergleich muss  man  sagen,  dass  nach  deutschem  Recht  keine  Person, die  etwas  getan  hat  während  andere Gesetze  gegolten haben,  nach einem  neuen  Gesetz  beurteilt  werden dürfte. Für diesen  Artikel  haben wir mit  vielen  Menschen,  Erdogangegnern, sowie  -anhängern gesprochen. Justin (Name  von der Redaktion geändert), ein  Deutscher, der  sich aber gerne  einmal  hitzige Diskussionen  mit  Aylin  und Esra  leistet, zeigt  nicht  nur Unverständnis  gegenüber Gülen.  Auch Erdogan  ist  ihm  ein Dorn im  Auge. Er selbst  sagt, dass  er nie  gedacht  hätte,  dass  ein  Militär solche Operationen durchführt,  um  eine  Regierung  zu stürzen.  Es  habe  ihn  sehr erschrocken. Nach dem, was  passiert  ist,  kann er zwar verstehen, dass  die  Regierung nun handeln  muss,  aber dass  auch Unschuldige  festgenommen und gefoltert  wurden,  empfindet  er als  falsch:  „Die  Vorgehensweise, wie  die  Türkei  auf den Putschversuch  reagiert  hat,  war sehr aggressiv  und nicht  human. Dabei wurden Menschenrechte  missachtet.“  Für ihn ist  die  Idee  der  Todesstrafe  „ein  großer Schritt  zurück in  Richtung  Mittelalter“. Die  Todesstrafe  sei  nach Justin nur eine  schnelle  Lösung des  Problems.  Er hat  Zweifel  daran,  dass  die  Türkei  nun mehr eine  Demokratie  ist.  Erdogan würde  seine Machtposition nur noch  dafür ausnutzen,  um  seine  Ziele  und Zwecke  zu erreichen. „Alles,  was gegen  Erdogan ist,  versucht  er zu  unterbinden“. Nach Justin erkenne  man  auch an der  nicht vorhandenen Pressefreiheit, dass  die  Türkei  auf dem  besten  Weg in Richtung einer Diktatur sei. Justin ist  davon überzeugt,  dass  die  Menschen, die  in der  Türkei  leben,  Probleme  mit  seiner Politik haben  werden, insbesondere  wenn sie  eine  andere  Meinung als  Erdogan vertreten.  Justin  beendet das  Interview  mit  den  Worten :  „Solche  Auswirkungen, wie  über die  Wiedereinführung der Todesstrafe  nachzudenken,  sind Dinge, die  ich in  Deutschland nicht  für möglich  halte.“

Justins  Argumentation  ließ  uns  über  Parallelen zu  einer Diktatur nachdenken.  Wir  stellten fest,  dass oftmals  eine  gewisse  Rechtfertigung  für die  Öffentlichkeit, eine  eingeschränkte  Pressefreiheit  und eine  mögliche  Vernichtung  der Opposition  vorhanden ist. Ein besonders  wichtiger Punkt  ist wahrscheinlich  vor allem  auch  die  starke,  kollektive  Verehrung für eine  Person. Gerade Deutschland weiß, wie  enorm  gefährlich  die  Euphorie  zu einer mächtigen  Person, einem  Führer, sein  kann.  Aber ist  so etwas  in  der  Türkei  vorzufinden?  Kann man die  Türkei,  einen demokratisch gewählten Staat, überhaupt  mit  Diktaturen vergleichen?  Aylin  ist  unstimmig:  „Warum  sollte  es überhaupt  Wahlen geben,  wenn die  Türkei  sich heutzutage  in einer Diktatur befindet?  Und im Übrigen  wollte  vor allem  das  Volk die  Todesstrafe,  nicht  Erdogan.“   Wir fragen  nach der  Euphorie und der  kollektiven  Verehrung. „Die  Massenbegeisterung ist  nicht  gefährlich,  es  ist  eher  schön, dass sich  ein ganzes  Volk auf die  Straße  stellt  und sein  Land verteidigt.“  Und vielleicht  hat  sie  damit Recht, die  Deutsch –  Türkin, denn  wenn das  Volk es  nicht  getan hätte,  vielleicht, ja  vielleicht  wäre dann  tatsächlich  der Putschversuch geglückt. Und möglicherweise  könnte  sich auch  Deutschland eine  Scheibe  des  Zusammenhalts  abschneiden.  „Die  Menschen  haben sich  nicht  für Erdogan auf die  Straße  gestellt, sondern für die  Demokratie“, ergänzt  Esra.  Vielleicht  hat  Esra   Recht  mit  dieser  Aussage, doch  letztendlich kann man wohl  nichts anderes  machen,  als  ab zu  warten, wie  sich  die  Türkei  in den nächsten Jahren entwickelt  und sich eine  eigene  Meinung über  das  Thema  zu bilden. 
Gesche  Graue  und Diana  Rüscher