Artikel: Cecile H.

Eine Trennung macht vermutlich jeder im Leben einmal durch und weiß, dass die Zeit während und nach der Trennung sehr belastend sein kann. Noch schlimmer ist es, wenn dabei Kinder im Spiel sind, die darunter leiden müssen. Die Beziehung der Eltern und die Beziehung zu den Eltern spielt eine große Rolle für die eigene Zukunft, Partnerwahl, emotionale Stabilität und vieles mehr. Aber sind Trennungs- beziehungsweise Scheidungskinder zum Scheitern verurteilt? 

In Deutschland liegt der Anteil von Minderjährigen, die bei einem alleinerziehendem Elternteil wohnen bei 19%, was auch Elternteile inkludiert, die von Anfang an alleine waren, also keine Beziehung geführt haben (Statistisches Bundesamt, 2022). Alleinerziehende Mütter machen dabei immer noch den Großteil aus, wobei der Anteil der alleinerziehenden Väter bei 15% liegt. Die Trennung verändert also meist die Wohnsituation, wobei die Kinder in den meisten Fällen bei der Mutter leben, den Vater aber besuchen, an Wochenenden bei ihm sind oder in zeitlichen Abständen bei ihm leben. Alle Konzepte bringen Herausforderungen mit sich, die häufig Konsequenzen auf die Kinder haben. Teilweise werden Kinder auch von ihren Geschwistern getrennt, wenn ein Kind beim anderen Elternteil lebt. 

Was den Betroffenen in dieser Phase hilft, wie es ihnen geht und wie sie die Trennung später einstufen, wollte ich mithilfe einer Umfrage an unserer Schule ermitteln. Dabei haben 62 Personen aus den Altersstufen 11-20 mitgemacht und Fragen zu ihren Eltern und der Beziehung beantwortet. Je nachdem, ob die Personen getrennte oder nicht-getrennte Eltern haben, wurden ihnen unterschiedliche Fragen gestellt. Von den befragten Personen waren 79% weiblich und 21% männlich. Die Umfrage war freiwillig und online verfügbar.

Umfrage an der OSL

„Ich war 6 und komplett verzweifelt“, beantwortete ein 18-jähriger Schüler, der Oberschule an der Lerchenstraße, die Frage, was sein Umfeld falsch gemacht habe, als seine Eltern sich trennten. Niemand habe sich dafür interessiert, berichtet er. Eine ernste Realität, mit der viele Schüler in Deutschland und hier an der OSL zu kämpfen haben oder hatten. 

An der OSL sind ca. 45% der Beteiligten Trennungskinder. Die meisten Eltern trennten sich mit einem Anteil von ca. 32%, als die Kinder und Jugendlichen 0-3 Jahre alt waren. Am zweithäufigsten trennten sich die Eltern, als die Schüler 14-18 Jahre alt waren. 

Das Alter der Kinder hat einen bedeutenden Einfluss auf den Umgang, die Verarbeitung und die Konsequenzen der Trennung. Währen Babys von der Trennung noch nicht viel begreifen und eher innere Unruhe oder leichte Entwicklungsverzögerungen aufweisen, reagieren Kinder von 3-5 Jahren mit Schuldgefühlen, leiden an körperlichen Beschwerden, wie Bauchschmerzen und zeigen nach Außen gerichteten Auffälligkeiten, wie Trotzverhalten und Wutausbrüche. Kinder im Grundschulalter, von 6-9 Jahren, haben oft den Wunsch nach der Wiedervereinigung der Familie und Entwickeln Loyalitätskonflikte. Ähnlich sieht es auch bei Betroffenen von 10-13 Jahren aus, wobei oft die elterliche Verantwortung übernommen wird, Schuldgefühle, Ängste und Einsamkeit zunehmen. Die gleichen Probleme zeigen sich auch bei den Jugendlichen im Alter von 14-17 Jahren. 

Im Schulalter zeigt sich auch manchmal ein negativer Einfluss auf die schulischen Leistungen. Bei der Umfrage beispielsweise gaben 18% „Ja“ und 21% „Eher Ja“ auf die Frage „Hat die Trennung deine schulischen Leistungen negativ beeinflusst?“ an. Der Großteil bemerkte also keine negativen Veränderungen, was aber auch mit dem jungen Alter der Schüler zusammenhängen könnte, da viele bei der Trennung ihrer Eltern im Baby- oder Kindergartenalter waren.

Beziehung zu den Eltern

 Die befragten Schüler gaben mit einem Anteil von 68% an, die Trennung habe die Beziehung zu ihren Eltern beeinflusst. Besonders die Beziehung zum Vater litt unter der Trennung. Genau 50% der Befragten berichteten, die Trennung habe die Beziehung zum Vater negativ verändert, während 18% angaben, die Beziehung zu beiden Elternteilen habe sich verändert. Jedoch gab keiner an, nur die Beziehung zur Mutter habe sich ins Negative verändert. Insgesamt leidet demnach besonders die Vater-Kind-Beziehung unter der Trennung der Eltern. Auch im Hinblick auf die Gegenwart, gab der Großteil der Schüler an, die Beziehung zum Vater habe sich verschlechtert. Bei der Frage, wie die Beziehung zu dem jeweiligen Elternteil heute ist, fielen die Antworten je  nach Elternteil sehr unterschiedlich aus. 

Die Beziehung zur Mutter stellte sich,  mit einem Anteil von 25%, als „sehr gut“ bis neutral heraus, während die Beziehung zum Vater zu 29% als „sehr  schlecht“ beurteilt wurde. Der Rest der Angaben, im neutralen und positiven Bereich, fällt eher durchmischt aus. Der Vater ist demnach für die Befragten weniger als Bezugs- und Vertrauensperson zu kategorisieren, als die Mutter.

Gründe für die Distanz zum Vater sind vielfältig und können auch mit der Wohnsituation zusammenhängen. Rivalitäten zwischen den Eltern und das oft damit verbundene Schlecht-Reden des anderen Elternteils führen zudem dazu, dass Loyalitätskonflikte entstehen. Die Bevorzugung eines Elternteils kann die Folge sein. Sorgerechtsstreitigkeiten, Rollenbilder und vieles mehr haben ebenfalls einen Einfluss auf die Unsichtbarkeit der Väter. Denn meist steht aufgrund der genannten Faktoren kurz nach der Trennung fest: Die Kinder kommen zu der Mutter. Wichtig ist allerdings, dass die Väter an der Distanz zu den eigenen Kindern Mitschuld tragen. Betroffene, mit denen ich sprach, berichten beispielsweise davon, dass die Eltern kein Interesse zeigen, keinen Kontakt aufrechterhalten oder sich einfach nie melden, egal ob beim Kind oder der Mutter. Zudem gingen Väter häufig „nicht richtig“ an die Trennung und die Zeit danach ran, verhielten sich „unangemessen“.

Die Rolle des Vaters

Die Mutter ist für viele Kinder an erster Stelle. Sie kümmert sich, hört zu und ist die Ansprechperson, wenn es Probleme gibt. Der Vater spielt in der individuellen Entwicklung des Kindes jedoch auch eine große Rolle. Nicht nur in der Gestaltung des Männerbildes spielt der Vater eine Rolle, sondern auch für den Selbstwert und das Selbstbewusstsein ist der Vater verantwortlich. 

Nimmt man den stereotypischen Vater als Beispiel, sorgt dieser vor allem für Motivation und Vertrauen in sich selbst, wenn es um Herausforderungen und neue Dinge geht. Auch körperliche Auslastung und Kräftemessen sind typisch und führen zu dem Ermitteln eigener Stärken und Schwächen des Kindes. Insgesamt trauen Väter also ihren Kindern meist mehr zu als Mütter, sie sind weniger ängstlich.

Zudem neigen Männer dazu, in emotionalen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, was einen Einfluss auf den Umgang mit den eigenen Gefühlen bei Kindern hat. Wichtig ist dabei natürlich ein gesunder Ausgleich zwischen Emotionen und der Rationalität. Damit haben Väter auch die Chance, das Männerbild zu verändern, indem Gefühle auf gesunder Basis vermittelt werden. Kinder haben damit die Möglichkeit das Bild des Mannes als starker, gefühlloser Mann nicht zu verinnerlichen, was ihnen spätere, auf Emotionen basierende, Probleme ersparen kann.

Die Vater-Kind-Beziehung kann allerdings in einigen Fällen auch Einfluss auf die Partnerwahl haben, besonders bei der Betrachtung erwachsener heterosexueller Frauen.

Vaterkomplex

Von einem Vaterkomplex redet man, hauptsächlich bei Frauen, wenn der Vater im späteren Leben gefühlsmässig zwischen der Tochter und ihrem Partner steht. In der Regel sind Frauen von einem Vaterkomplex betroffen, wenn sie in ihrer Kindheit eine besondere, teilweise bereits krankhafte Beziehung zu ihrem Vater hatten. Die Bindung war entweder außergewöhnlich eng oder genau das Gegenteil, wie es Teilweise im Fall einer Trennung ist: sehr distanziert. Die Verhaltensweisen des Vaters haben einen bedeutenden Einfluss auf die Beziehungsentwicklung seiner Tochter sowie auf ihre spätere Partnerwahl und prägen ihr Männerbild. Dies kann dazu führen, dass die Frauen entweder einen Partner wählen, der dem Vater stark ähnelt, oder sie suchen bewusst das vollkommene Gegenteil. Beides kann zu einer sehr kranken und toxischen Beziehung führen. 

Im Fall einer Trennung der Eltern, entsteht manchmal eine Distanz zum Vater. Der Vaterkomplex entsteht dann also durch die mangelnde Anerkennung. Dabei bekommt die Person in der Kindheit wenig Aufmerksamkeit vom Vater und muss um dessen Anerkennung kämpfen. Ist eine Frau von einem solchen Komplex betroffen, äußert sich dies beispielsweise in der Suche nach deutlich älteren und optisch sowie charakterlich dem Vater ähnlichen Partnern. Die Betroffenen handeln und reagieren dazu sehr emotional, sind emotional abhängig und brauchen ständige Bestätigung der Liebe und Aufmerksamkeit von ihrem Partner. 

Zum Scheitern verurteilt?

Neben sozialen und emotionalen Schwierigkeiten, spielen also auch langfristige Einflüsse auf Beziehungen eine Rolle. Besonders drastisch sind die Folgen allerdings, wenn die Trennung sehr streitbelastet war und das Kind im schlimmsten Fall zwischen den Elternteilen entscheiden sollte. Es spielen dabei viele Faktoren eine Rolle.

Langfristig zeigen Studien zudem, dass Trennungs- und Scheidungskinder häufiger an Depressionen erkranken. Sie neigen auch öfter zum Burn-Out und haben ein höheres Stresslevel. Insgesamt kann das zu körperlichen Beschwerden wie Bauchschmerzen und Kopfschmerzen führen, aber auch andere gesundheitliche Beschwerden hervorrufen. Besonders bei Mädchen tritt vermehrt chronischer Stress auf. Dies hat auch auf das soziale Leben, die Schule, den Beruf und das eigene Wohlbefinden einen negativen Einfluss. 

Es steht also fest: Kinder werden bei einer Trennung vor eine riesige Herausforderung gestellt, welcher sie teilweise nicht gewachsen sind. Es ist daher wichtig, ihnen in dieser Situation Beistand und Unterstützung anzubieten und für sie da zu sein. Denn am Ende, haben auch die Kinder Verständnis und verstehen, dass eine Trennung manchmal notwendig ist. Bei der Befragung gaben beispielsweise 79% an, die Trennung ihrer Eltern im Nachhinein als „positiv“ zu bewerten. 

In dieser Phase geholfen habe den Schülern am meisten sie selbst (39%) und ihre Hobbys (29%). Zudem halfen 14% der Schüler die Schule und die Lehrkräfte. Auch  Elternteile (18%) waren in der Zeit wichtig, genauso wie Freunde (21%).

Nein, Trennungskinder sind nicht zum Scheitern verurteilt. Jedoch ist es wichtig, Probleme nicht auf die Kinder zu übertragen, sie zu keiner Entscheidung zu drängen oder schlecht über den Ex-Partner zu reden. Eine Trennung ist sowohl für Kinder als auch für Eltern schwer, dabei stehen aber die Eltern in der Verantwortung, diese Phase so problemlos wie möglich zu gestalten