Die Verwirrung ist mindestens genauso groß wie die Empörung, als vor zwei Wochen plötzlich ominöse Flyer in unserer Schule auftauchen.
„6 Millionen Euro für die Lerche“, prangt die Überschrift auf den DIN-A5 Zetteln, von denen einer am schwarzen Brett angebracht ist. Nicht im Kasten, sondern außen nur, mit Klebeband befestigt. Eine Nachricht also, die offensichtlich weniger durch Souveränität als durch ihren Inhalt bestechen soll. Und das tut sie.

In dem gedruckten Text geht es kurz gesagt vor allem um die Behauptung, dass Mitte 2017 an unserer Schule der Bau einer Dachterrasse für die Lehrer beginnen soll. Außerdem sei angeblich eine neue Ausstattung der Klassenräume vorgesehen. Die Kosten des Ganzen sollen sich auf etwa 6 Millionen Euro belaufen, weshalb zusätzlich das W-Lan für die Schüler wieder abgeschafft werden soll; es würde scheinbar sowieso für zu viel Ablenkung sorgen. Die Aussage, dass all das hinter verschlossenen Türen entschieden wurde, setzt dem Spektakel schließlich die Krone auf.

Verständlich, dass diese Nachricht nicht nur die Schüler erreicht – zumal zwar viele darüber reden, aber niemand davon wirklich zu wissen scheint, woher diese Informationen kommen. Selbst die Lehrer können auf neugierige Nachfragen nur bedingt eingehen, wissen sie immerhin nicht mehr als alle anderen.

Es dauert nicht lange und die ersten Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Flyer kommen auf, wodurch sich das Mysterium Dachterrasse allerdings nicht aus der Welt schaffen lässt. Immer wieder werden die Behauptungen zwar vehement bestritten, doch stellt sich trotzdem die Frage: Wer? Und vor allem: Warum?

Einige tippen bei der Suche nach dem Verantwortlichen auf Herrn Dauber, der dafür bekannt ist, bei so etwas gerne mal seine Finger im Spiel zu haben. An dieser Stelle mein Beileid an alle, die jetzt jemandem ein Eis spendieren müssen, weil sie die Wette verloren haben – denn dieses Mal, sagt Herr Dauber selbst, habe er nichts damit zu tun.

Im Vertrauen erzählt er mir aber, dass er sich gut vorstellen könnte, von wem die Zettel stammen und verrät mir, an wen ich mich wenden sollte. Und tatsächlich, wenige Stunden später unterhalte ich mich mit der Person, die sich das ganze Spektakel hat einfallen lassen.

Passend dazu wird letzte Woche dann das Rätsel um das Warum durch einen neuen Flyer aufgelöst. Das Design ist ähnlich, die Bilder gleich, nur der Text unterscheidet sich:

„Selber denken macht schlau. Na, seid ihr drauf hereingefallen?“

So lautet die Überschrift. Darunter wird erklärt, dass es sich bei dem ersten Flyer lediglich um einen Fake handelte – all die angekündigten Veränderungen würde es nicht geben.

Fast schon provokant macht der Verfasser dieser Zettel, welcher unten mit den Initialen J.K. unterzeichnet hat, darauf aufmerksam, dass nicht alles, was wir in unserem Alltag zu lesen bekommen, wirklich der Wahrheit entspricht. Und genau das sei der Punkt dieser Flyer gewesen, sagt mir „J.K.“ in unserem Gespräch.

„Was haben Nachrichten heute noch für einen Wert? Du liest irgendwo was und schluckst die Information einfach, wie so’n Mülleimer. Kein Wunder, dass da dann am Ende eben nicht nur Sinnvolles, sondern auch viel Scheiße dabei ist. […] Forsch selber nach, recherchiere, hinterfrage, unterhalt dich mit wem. Aber sei kein dummer Mülleimer.“

Laut J.K. ging es nie darum, irgendwen gegeneinander aufzubringen. „Ich wollte einfach nur, dass man nicht vergisst, dass man nicht alles glauben sollte, was man irgendwo liest.“

Ein Appell an unser Denken also. Und wenn ein paar ausgehängte Zettel in der Schule einen solchen Tumult auslösen können, dann bin ich geneigt, J.K. zuzustimmen.

Denn irgendwie stimmt es ja schon – und glauben oder wissen ist ein großer Unterschied.

Von Thessa König
Danke an J.K. für das Vertrauen und die Offenheit!