Ein Beitrag von Enes Ü., Duha H., Ruya H., Koray A. (24b)
Seit mehreren Jahren lebt die syrische Bevölkerung unter Druck, einer diktatorischen Herrschaft und einem langfristigen Krieg. Dieses gewalttätige Regime hat viele aus ihrem Land vertrieben. Mehrere Hunderttausend Menschen sind ums Leben gekommen, Tausende wurden und sind immer noch vermisst, und viele haben ihre Heimat verlassen, um in Sicherheit zu leben. Die ganzen Bilder der Katastrophen, Gewalt, Zerstörung und der Toten sind unvergessliche Bilder, die tief in dem Gedächtnis der syrischen Bevölkerung eingeprägt sind, wodurch die syrische Bevölkerung schon die Hoffnung auf ein freies Syrien aufgegeben hat.
Im Dezember 2024 ist genau das Gegenteil passiert: Das Regime von Baschar al-Assad wurde gestürzt. Dieses Ereignis wird ein sehr bedeutender Wendepunkt in der syrischen Geschichte bleiben. Es wurde auf der ganzen Welt gefeiert.
Zu diesem Thema haben wir uns die Frage gestellt: „Ist der Sturz des Assad-Regimes aus dem Blickwinkel syrischer Exilanten eine Befreiung für die syrische Bevölkerung oder der Weg in eine neue Diktatur?“ Dazu haben wir einen Exilanten interviewt, der uns viele Fragezeichen beantwortet hat.
Im Rückblick zeigt sich schnell im Gespräch mit dem Exilanten, dass die Erinnerungen an die Zeit unter Assad von Schmerz geprägt sind. Mohammad beschreibt: „Man lebte in ständiger Angst, etwas Falsches zu sagen. Kritik am Regime war gefährlich. Viele Menschen wurden verhaftet oder sind einfach verschwunden.“ Auch die wirtschaftliche Lage war kaum zu ertragen. Ohne Beziehungen zu hohen Positionen ging nichts. Viele dieser Dinge und auch Sachen wie Bombenangriffe, Verhaftungen von Familienangehörigen und die fehlende Sicherheit waren der Auslöser für die Flucht aus der Heimat.
Mit dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember haben die Menschen Hoffnung auf eine bessere und freie Zukunft. Exilanten feiern diesen Moment und definieren ihn als eine Befreiung, denn endlich werden sie nicht mehr unterdrückt und müssen keine Angst mehr vor dem gewaltigen Regime haben. Aber bald schon übernahmen neue Gruppierungen die Kontrolle: islamistische Milizen, kurdische Kräfte und andere Gruppierungen. Alle diese Gruppen verfolgten ihre eigenen Ziele – und dies oft ohne Rücksicht auf die Bevölkerung. „Viele dieser Gruppen und Mächte haben die Lage eher verschlechtert“, sagt Mohammad, denn es gab Machtkämpfe, Unterdrückung und viele Formen von Gewalt.
Trotzdem bleibt die zentrale Frage: War der Sturz des Assad-Regimes eine Befreiung oder nur der Weg in eine neue Form der Diktatur?
Die Antwort auf diese Frage ist kompliziert. Einerseits gibt es nach dem Sturz Fortschritte: „Viele Menschen wissen jetzt, was Freiheit bedeutet“, berichtet einer der Exilanten. Andererseits eskaliert die Lage erneut: Im Frühjahr 2025 kam es zu Massakern an Alawiten. Über 1300 Menschen starben, was ein erschreckendes Zeichen nach dem Machtwechsel war. Auch der neue Präsident Ahmed al-Sharaa versucht, die Lage zu beruhigen. Er behauptet, dass sie die nationale Einheit und den gesellschaftlichen Frieden bewahren müssen. Doch trotzdem glauben ihm viele Bürger nicht, denn bei vielen sitzt das Misstrauen zu tief vor neuen Machtmissbräuchen.
Auch viele ausländische Mächte haben eine große Rolle in diesem Konflikt gespielt. Der syrische Konflikt war sozusagen nie nur ein syrischer Konflikt. Mächte wie Russland, Iran, die Türkei und die USA verfolgten ihre eigenen Interessen und beeinflussten die Entwicklungen massiv. Russland stützte Assad bis zum Ende, um seinen Einfluss in der Region zu bewahren. Die USA und die Türkei handelten mit kurdischen Kräften oft, ohne Rücksicht auf die Bevölkerung zu nehmen. Der Befragte bringt es auf den Punkt: „Diese ausländischen Mächte haben mehr Chaos verursacht als geholfen.“
Aus dem Blickwinkel vieler Exilanten ist eine Rückkehr nach Syrien nur möglich, wenn es in Syrien Sicherheit und Meinungsfreiheit geben würde – ohne Angst vor Gewalt oder Verhaftung. Eine gute wirtschaftliche Lage ist genauso wichtig. Diese Verbesserung und Veränderung im Land braucht seine Zeit und ganz viel Geduld.
Der Exilant äußert seinen Wunsch klar und deutlich: „Meine Hoffnung ist, dass die Menschen, die wirklich Freiheit wollen, am Ende stärker sind als diejenigen, die nur Macht suchen. Aber alles braucht Geduld und viel Zeit, und vieles wird sich erst in der Zukunft zeigen.“
Insgesamt zeigt die Reportage, dass der Sturz des Assad-Regimes für viele Syrer eine bedeutende Sache ist, aber kein Garant für Freiheit. Die Gefahr einer neuen Diktatur ist real, doch gleichzeitig wächst eine Generation heran, die weiß, was Freiheit bedeutet und sich dafür einsetzt.
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